Quo vadis, Fußball?
Hans-Reinhard Scheu 
 
 
 
 
 
Quo vadis, Fußball
 
www.s-port.de/quovadis/0282.html  
 
Quo vadis, Fußball?
Verlag Die Werkstatt 
ISBN 3-89533-298-4
1. [Kein Fernsehen, kein Ereignis]
2. Weniger (Inhalt) ist mehr (Quote)
Der Fußball der letzten Jahre ist schneller geworden und athletischer, aber hierzulande trotz kräftiger ausländischer Entwicklungshilfe nicht unbedingt besser. Mit Sicherheit aber attraktiver - jedenfalls auf dem Bildschirm. Das ist vorrangig das Verdienst der Privaten, die ihr teuer erworbenes (und mittlerweile nicht mehr durch Werbung refinanzierbares) Produkt Bundesliga nicht einfach nur transportieren, sondern inszenieren und zelebrieren. Was die journalistisch gute, aber in der Präsentation veraltete ARD-Sportschau jahrelang mit bescheidenem technischen Aufwand und biederer Aufmachung seriös vermittelte, wurde ansatzweise von RTL und hernach in extenso von Sat 1 zum TV-Spektakel, zur Fußballshow aufgemotzt. Und dies mit gewaltigen Investitionen und in der Sportbranche bis dahin unbekannter Kreativität.
Allerdings mutierten die "ran"-Macher nach dem Motto "was teuer ist, muss auch toll sein" allzu oft zu Claqueuren und wandeln schon mal einen Trostloskick durch technischen Firlefanz, zahlreiche Wiederholungen, Seichtes aus der Privatsphäre, statistische Sinnlosigkeiten, Billiggags und O-Ton-Collagen bis zur besser genießbaren Unkenntlichkeit. Hauptsache Entspanntheit, Euphorie und Emotion... Der Fußballbranche gefällt's natürlich, wie der Seitenhieb des Geschäftsmanns Uli Hoeneß vom FC Bayern München gegen einen objektiven, ehrlichen, kritischen Journalismus deutlich macht: "Lieber schrill berieseln lassen als ewig mies gemacht."
Das Zauberwort im Fernsehsport dieser Tage heißt Infotainment. Weniger der Inhalt zählt, viel mehr die Aufmachung des Produktpakets: Wie es geschnürt ist, und wer es schnürt. Und die "Verkäufer im on" haben so gar nichts mit Scharfrichtern gemein, sondern kommen entsprechend ihrem Auftrag wie eine Synthese aus Hostess und Möchtegern-Schwiegersohn einladend moderat daher: allzeit freundlich und um die Hand der Umworbenen anhaltend. Und umworben sind die Zuschauer ebenso wie die eigentlichen Stars der Szene, die Sportler. Entsprechend pfleglich geht man mit ihnen um. 
Diese Marschroute - quer durch die Medienlandschaft - bringt allzeit Applaus von den quotensüchtigen Programmverantwortlichen wie den kamerageilen Zuschauern im Studio, die zum besseren Gelingen des Ganzen ebenso artig wie häufig und heftig das vor der Sendung einstudierte Klatschzeichen des Aufnahmeleiters befolgen. Die Keep-Smiling-Fraktion der Sport-"Show"-nalisten erfährt mittlerweile dank ihrer bemerkenswerten Livesicherheit und Ausstrahlung eine derartige Wertschätzung (auch in barer Münze), dass Programmchefs und Intendanten - ebenso wie ein Großteil der Sportler - vor Neid erblassen müssten, wüssten sie nicht um die Gesetze des Marktes, wonach die Nachfrage nach diesen Verkäufern der heißen Ware Populärsport deren Marktpreis bestimmt. 
Begünstigt wird der Kultstatus der Moderatoren durch die aus den USA übernommene Philosophie, Sendungen nur von wenigen "Markenzeichen", d. h. immer den gleichen Gesichtern präsentieren zu lassen. Kritische Geister unter den Rezipienten stören sich zwar an deren Multipräsenz und Allwissenheit und sehen die journalistische Glaubwürdigkeit bedroht, wenn einer gestern noch im Tiefschnee, heute im Boxring und morgen im Stadion aufläuft. Aber niemand bremst den Trend, vielleicht auch, weil oftmals nicht Qualifikation sondern Posten oder Position in der Haushierarchie das Kriterium für Einsatz und Verweildauer auf dem Bildschirm sind.
Das Rollenverständnis im Neigungsberuf Sportjournalismus hat sich generell gewandelt. Früher galten "die Sportler" gleich welchen Mediums als die Hinterbänkler der Redaktionen, selbst wenn sie sich bezüglich Bildung und Ausbildung nicht hinter den Kollegen anderer Ressorts zu verstecken brauchten. Heute finden wir zwar bedingt durch die veränderte Angebots-/Nachfrage-Situation am Arbeitsmarkt mehr "studierte" Sportjournalisten; ihr drinnen wie draußen gewachsener Stellenwert scheint jedoch weniger eigenes Verdienst als vielmehr Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklungen sowie der medialen Aufwertung ihrer Sache zu sein. die Sitten in diesem Berufszweig ohne Eid und Kammer, ohne Kontrollorgan und Strafinstanz, verkommen. Die drei journalistischen Tugenden Vollständigkeit, Objektivität und Verständlichkeit wanken in der rauen Luft des Verdrängungswettbewerbs
Die Sitten in diesem Berufszweig ohne Eid und Kammer, ohne Kontrollorgan und Strafinstanz, verkommen. Die drei journalistischen Tugenden Vollständigkeit, Objektivität und Verständlichkeit wanken in der rauen Luft des Verdrängungswettbewerbs.
3. Zweite Realität
4. Die Zuschauerperspektive
Quo vadis, Fußball? Beiträge und Diskussion
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Forschungsprojekt

 

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