100 Jahre Werder -
Buch zur Ausstellung
 
 
 
 
100 Jahre Werder
Quo vadis Fußball
 
Werder Bremen - 
100 Jahre Sport im Rampenlicht
 
 
 
 
 

Buchrezension
In: 
SportZeit 1 (2001), 1, 114-116

Unter der Leitung von Hans-Joachim Wallenhorst entstand in Kooperation mit dem Bremer Focke-Museum und dem SV „Werder“ Bremen im Februar 1998 eine Sonderausstellung mit dem Titel „Werder Bremen. Hundert Jahre Sport im Rampenlicht". Das unter dem gleichnamigen Titel herausgegebene Buch wurde dabei so konzipiert, dass es zugleich den Zweck eines Ausstellungskataloges und einer neuen Vereinschronik erfüllt.
Auf den ersten hundert Seiten öffnet der Verein sein internes Photoarchiv, um mit insgesamt 101 Photographien ein Werder-Familienalbum zu entwerfen, wobei jedes Bild für ein Jahr Werder-Geschichte steht. Die Photos, die gleichzeitig den Kern der Ausstellung bilden, sind jeweils mit einem kurzen Text zu einem - aus Sicht der Autoren - besonderen Ereignis in der Entwicklung des Vereinsgeschehens im betreffenden Jahr versehen. Dabei verdeutlicht der Text für das Jahr 1999, über Felix Magath als Cheftrainer, welch kurzdauernder Aktualität Chroniken im Allgemeinen unterliegen, zumindest was den Versuch der Gegenwartsbeschreibung betrifft. Im Falle Werder Bremen sind der erneute Gewinn des DFB-Pokals 1999 und der Wechsel des Managers Willi Lemke vom Sport in die Politik zusätzliche Belege dafür.
Der zweite Teil des neuen „Werder-Buches“ besticht durch eine Kombination aus leicht bekömmlichem Lesestoff für den „Werder-Fan“ und Kapiteln, in denen die historischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekte mit wissenschaftlichem Anspruch behandelt werden. Den roten Faden des Buches bilden sieben Kapitel, die sich mit der hundertjährigen Geschichte des Vereins befassen. Wallenhorst widmet sich der Entwicklung des Vereins im Kaiserreich (102-129), in der Weimarer Republik (142-161) und im Nationalsozialismus (162-171). Als Quellen nutzt er neben diversen Jahrbüchern auch die Bestände des Bremer Staatsarchivs, des Archivs des DFB und der „Vereinsnachrichten" des FV/SV „Werder". Dabei versucht er auch die Stellung der Vereinsführung zur jeweiligen Staatsmacht darzustellen, so zum Beispiel deren begeisterte Kriegsbereitschaft zu Beginn des Ersten Weltkrieges (125, Anm. 46) oder auch ihre - „mit sportlichem Ehrgeiz" - schon früh vollzogene Anpassung an den Nationalsozialismus (165).
Für den Zeitraum nach 1945 bis zur Gründung der Fußball-Bundesliga 1962 zeichnen zwei Autoren verantwortlich. Während sich Oßenkop in seinem Kapitel den Bremer Nachkriegsidolen der Abteilung Leichtathletik im SV Werder widmet (172-177), schildert Klingebiel, der neben Wallenhorst auch schon an der Vereinschronik zum 90jährigen Jubiläum mitgearbeitet hat, die herausragende Stellung der Bremer Fußballer in der Oberliga Nord bis zur Einführung der Bundesliga in der Saison 62/63 (178-183).
Die Werder-Retrospektive schließt mit zwei Kapiteln, in denen die Bundesligageschichte des Vereins beschrieben wird. Im ersten Teil (Halbzeit l) schildert Fricke die Ereignisse der 60er/70er Jahre (184-197), die schließlich mit dem Abstieg der Fußballmannschaft in die 2. Bundesliga enden, dann aber, im zweiten Teil (Halbzeit 2) mit der erfolgreichsten Ära des Vereins unter dem Trainer Otto Rehhagel (214-229) ihre Fortsetzung finden. Während die lange Regentschaft von "König Otto" ausführlich gewürdigt wurde, werden seine vier Nachfolger De Mos, Dörner, Sidka und Magath nur mit 24 Zeilen bedacht, wobei an dieser Stelle eine 25. Zeile mit der Erwähnung des neuen Trainers Thomas Schaaf hinzugefügt werden soll.
Mit Ausnahme der drei Kapitel von Wallenhorst beschränken sich die anderen Autoren auf eine reine Chronologisierung der Ereignisse, die im Reportagestil wohl eher für den Werder-Fan geschrieben und mit zahlreichen Abbildungen versehen wurden.
Einem interessanten Thema widmen sich Fink und Köthe in ihrem Kapitel "Werder 2000 und 10". Ausgehend von der Prämisse, der SV Werder Bremen werde immer häufiger als ein Wirtschaftsunternehmen betrachtet, das sich ständig mit marktstrategischen Aspekten auseinandersetzen und unter einem gewissen Unsicherheitsfaktor Entscheidungen treffen muss, entwerfen die beiden Autoren unter dem Schlagwort des „Szenario-Managements" mögliche Perspektiven des Vereins. Das einem Schachspiel gleichende Prinzip der Vorauserkennung oder zumindest der Vorausahnung der nächsten Spielzüge, dürfte sehr wohl auch für den Erfolg eines Unternehmens von Nutzen sein. Dies gilt auch für die großen Fußballvereine, kursiert doch in letzter Zeit der Wunsch nach strukturellen Umwandlungen in Aktiengesellschaften in so manchen Vereinsvorstandsköpfen.
Abschließend sollen die beiden Kapitel von Tegelbeckers und Milles (Uni Bremen) vorgestellt werden. Mit den dort dargestellten Ergebnissen ihres Projekts „Sozialintegrative Leistung von Fußballvereinen in Bremen", dessen Kooperationspartner der SV Werder, das Bremer Focke-Museum und der Sportförderverein des Deutschen Fußball-Bundes sind, werden weitere Aspekte der Fußballgeschichte in Bremen eingebracht. Dadurch wird das Buch wissenschaftlich interessant, zeigt es doch am Beispiel des SV Werder und seiner Vorläufer, wie sich der Fußball in Bremen entwickelte. 
In Tegelbeckers Kapitel „Vor dem Fußball kam die Schule“ (130-141) wird der Zeitraum 1881-1899 aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. In einer „lokalbezogenen, konkret historischen Perspektive sowie einer allgemeineren, gleichsam soziologischabstrakten Perspektive“ wird am bremischen Beispiel dargelegt „dass die in den 1880er Jahren durch Reformpädagogen und Sozialhygieniker initiierte Spielbewegung den Nährboden für die Entstehung des organisierten Fußballs bereitet hat“ (131). 
Dabei verdeutlicht Tegelbeckers, dass die von Erwachsenen theoretisch angeleitete Spielbewegung sich verselbständigt, indem sie durch die 15- und 16jährigen Schüler vollständig vereinnahmt und in eine Fußballvereinsbewegung umgewandelt wird. Sie verkörpert nun einen Teil der „Knabenwelt“, „die das so vorgefundene Vakuum (des Übergangs in die Erwachsenenwelt, d. Verf.) als Chance zur Ausgestaltung einer eigenen sozialen Identität positiv zu nutzen weiß“ (141). Der Autor stützt sich dabei auf Recherchen im Bremer Staatsarchiv und wertet diverse Jahrbücher, die damalige Lokalpresse sowie die zeitgenössische Literatur gründlich aus.
Neben der historischen Aufarbeitung der Entwicklungen von Fußball und Verein, werden in einem zweiten Teil des Forschungsprojektes von Milles (238-249) „die gegenwärtigen gesellschaftlichen Veränderungen von den Vereinsaufgaben her beleuchtet“. Nach einer allgemeinen historischen Betrachtung und Rekonstruktion der Sozialisationswirkung sowie der Integrationskraft von Fußballvereinen, werden auf der Basis von Interviews mit „Trainern, Betreuern, Eltern und Fans“ von Werder Bremen Sozialisationswirkung und Integrationskraft des Fußballs von heute erforscht. 
Das von Pantel und Klingebiel verfasste Kapitel über die Zuschauer (204-213), der Beitrag des Werder-Vizepräsidenten Fischer über die weiteren Abteilungen des Vereins, die vereinsinterne Jugendförderung sowie die Breitensportaktivitäten von Werder Bremen (198-203) und ein mit Ex-Manager Lemke geführtes Interview über die aktuellen Probleme des Fußballs in der Medienlandschaft (230-237) vervollständigen das Werder-Buch.
Der Jubiläumsband ist mehr als eine Chronik. Insbesondere die Beiträge von Wallenhorst, Tegelbeckers, Milles, Fink und Köthe sind für die allgemeine Sportgeschichte und für die gegenwärtige sportökonomische Diskussion von hohem Interesse. Das komplette Fehlen eines Statistikteils und die Nichtaufrührung der Photonachweise müssen allerdings als Mängel beanstandet werden.

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Buch zur Ausstellung
Kooperation 100 Jahre Werder

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