Quo vadis, Fußball?
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Quo vadis, Fußball
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Quo vadis, Fußball?
Diskussion, II (Auszug)

Marktwirtschaft und EU-Recht, Globalisierung und Kommerz im Profifußball
 
Christian Hinzpeter:  

Willi Lemke, zu Ihnen. Ich finde das richtig und sehr wichtig, dass es so etwas wie Werder Bremen gibt, denn ich weiß sehr wohl, dass es in der Bundesliga nicht mehr allzu verbreitet ist, ich kenne ja auch die langen Diskussionen, die wir geführt haben auf den Managertagungen, immer, in den verschiedenen Punkten. Ich habe Herrn Hoeneß nie als unangenehm empfunden wie Sie, weil Sie eben in direktem Wettstreit mit ihm waren. Ich beim FC St. Pauli war das ja nie, ich war geduldet und ich war sicherlich einer wo Herr Hoeneß nicht so richtig Angst vor mir haben musste - vor Ihnen sehr wohl, weil es ja immer noch Möglichkeiten gab, an die großartigen Erfolge nach dem Europapokalgewinn hier anzuschließen. Und deswegen war, glaube ich, war seine Sorge oder ist Ihr Verhältnis da anders als meines zu ihm. 

Aber was ich dazu sagen wollte - es gibt natürlich immer verschiedene Stufen. Sie leiden jetzt unter den Bayern so, wie ich damals im nächsten Sprung zu Ihnen gelitten habe. Das ist ja ein sehr aktuelles Beispiel jetzt, Helmut Schulte und ich haben auf einer Tankstelle mit Jens Todt gesprochen, als er von Havelse dann weitergehen wollte in eine Profiinstanz. Wir haben ihm dort ein Angebot gemacht, das von ihm und seinem Berater dann belächelt wurde. Er ist dann nach Freiburg gegangen, bezeichnenderweise, und jetzt ist er halt von Bremen wieder auf dem Sprung zum VfB Stuttgart, wenn ich es richtig weiß, und dort wird er dann nochmal ein ganz bisschen mehr Geld verdienen, als er es sowohl bei Havelse als auch beim SC Freiburg und wo er zwischendurch gespielt hat, verdiente. Es gibt halt Schubladen, die sind sehr weit unten, und dann mittlere, und obere, und so weiter, und dieses ganze Konstrukt muss in irgendeiner Form - und da gebe ich Ihnen völlig recht - zusammenhalten, denn sonst bricht es auseinander. Und die Tendenzen, die wir im Moment haben und beobachten müssen, mit Dortmund und Bayern München, die sind tatsächlich für einen Fußballfan schwer zu ertragen.

Franz Nitsch: 

Meine Anfrage knüpft an das an, was Sie, Herr Hinzpeter, gesagt haben und geht an Willi Lemke. Also ich spreche jetzt nicht von Werder Bremen als dem Verein, den Du uns vorgestellt hast. Ich spreche auch nicht von dem Fußball, wo gehst Du hin, sondern ich spreche von der aktuellen Krise im bezahlten bundesdeutschen Fußball. Und davon hast Du ja auch gesprochen. Und Krisenerscheinungen haben ja natürlich auch positive Aspekte. Das, was Du entwickelt hast, ist meiner Ansicht nach eine statische Betrachtung. Wenn Otto Rehhagel recht hat, dass dort, wo der beste Fußball gespielt wird, das meiste Geld ist, dann wird es zu Ausgleichsfunktionen kommen - in zweierlei Hinsicht. Wenn nur noch die Bayern gewinnen, und die Frage der Höhe des Sieges die Frage ist, dann geht da keiner mehr hin und die Einschaltquoten werden zurückgehen. Dann gewinnt Bayern nur kurzfristig an Geld, das sie in ungemein hochqualitativen Fußball investiert haben, aber der Spannungsbogen Fußballsport geht verloren; die Attraktivität des Zuschauen-Wollens geht verloren. Temporär betrachtet bestünde die Möglichkeit, mit den Gehältern, die derzeit gezahlt werden, auch wieder auseinanderzugehen, also ein Anpassungsprozess.Eine Form des Anpassungsprozesses würde sich auf Bundesligaebene vollziehen. Ich glaube, dass das nicht der Weg sein wird. 

Wenn ich die Gesetze der Marktwirtschaft richtig betrachte, unter dem Stichwort der Globalisierung, wird folgendes passieren: Es wird ein Anpassungsprozess nach oben stattfinden. Eine Form der weiteren Mittelerschließung wird die Aktiengesellschaft sein, es gibt keine bessere Aktie, die populärer ist als eine Sportvereinsaktie, weil das mit Fans und mit Kaufen von und Zugehörigkeitsgefühl etc. zu tun hat. Mich wundert überhaupt, dass die Leute nicht schon viel früher darauf gekommen sind, diese Organisation als Aktienvereine zu betreiben. Das wäre für mich sehr naheliegend aus dem Verbundenheitsgrad heraus. Das heißt, für mich wird es nach oben einen Modifikationsprozess geben, es wird eine Europaliga geben, die genau das befriedigt, was hohes qualitatives fußballerisches Niveau betrifft, was sozusagen eine hohe Einschaltquote hat, und was die ökonomische Schraube noch einmal nach oben treiben wird. Also was wir derzeit da erleben bei Bankenfusionen und großen Konzentrationsprozessen in der Wirtschaft - genau das wird über kurz oder lang, und ich meine eher über kurz als über lang, passieren. Sie haben das bereits angedeutet, Herr Hinzpeter, ich bin fest davon überzeugt, dass das in der Logik der Ökonomie der Weg sein wird, der gewählt wird und nicht der andere. 

Also meine Anfrage, Du hast Deine Position jetzt auch sozusagen mehrfach verdeutlicht: Wir als Bundesliga müssen uns also mit Deiner Mannschaft betrachten. Ich glaube, dass das nur eine stationäre Betrachtung ist und der ökonomischen Entwicklung im europäischen Prozess nicht gerecht wird. Da wäre meine Anfrage an Dich.

Willi Lemke: 

Es ist zu befürchten, dass Du recht hast. Aber Du musst bitte Verständnis dafür haben, dass die Kräfte in der Bundesliga, die an einem Erhalt der Bundesliga noch ein Interesse haben, weil sie, weil wir ja Bestandteil dieser Bundesliga sind, und nicht sagen: Na hoffentlich werden wir einer von den drei oder vier deutschen Vereinen, die in einer Europaliga letztendlich spielen, und möglicherweise auch noch als geschlossener Zirkel. Das war ja auch ein Plan, dass es dann keinen Abstieg mehr gibt. Und um den großen Vereinen ihre Etats abzusichern, werden die dann vielleicht sagen: Wir trennen uns und spielen eine eigene Europaliga ohne Abstieg. Das mag im Interesse der betreffenden 16 oder 20 Vereine sein, die dann in der Europaliga spielen, aber es ist nicht im Interesse der deutschen Fußballfans, denn die werden nicht alle 14 Tage nach Porto und nach Turin und nach Manchester fahren können, sondern die werden dann bestenfalls ins heimische Stadion gehen. Dies ist nur im Interesse der betreffenden Vereine, die sich eine weitere Einnahmequelle erhoffen. 

Und ich habe mittlerweile kein Verständnis mehr dafür, warum wir aus solchen ganz ökonomischen Interessen dafür sorgen sollen, dass die Herren Bundesligaspieler, wie das eben Herr Hinzpeter geschildert hat, also sagen: Okay, 2 Millionen sind nicht genug, ich hätte schon dann gerne 3 Millionen Jahreseinkommen, und nächstes Jahr sind 3 Millionen Jahreseinkommen nicht mehr genug, weil es einen Verein gibt, der 6 Millionen zahlt, und dann gibt es einen, der zahlt 10 Millionen. Das ist eigentlich erst angemessen das, was man einem Bundesligafußballer heute zahlen müßte. Ich spinne das jetzt ein wenig aus. Das ist ja möglich, dass wenn 2 oder 3 Vereine die Europaliga erreicht haben, dass man dann den Profis 10 Millionen zahlen kann. Aber das ist nicht mein Ziel. Sondern ich bin der Meinung, dass heute schon amoralische Gehälter gezahlt werden, die man eben in der Gesellschaft einem Arbeitslosen oder auch einem Arbeitnehmer, der 40 Stunden lang bei Klöckner Stahl erarbeitet, doch gar nicht klar machen kann. 

Ein Aspekt, der immer gerne vergessen wird, auf den ich aber auch gerne hinweise, ist, dass die Spieler - die Kosteddes und Borowkas mit einem Mal keinen Vertrag mehr haben, der ihnen ein dickes Konto erlaubt. Sondern die haben dann ganz andere Probleme und da gibt es auch Kapitel, über die man auch einmal diskutieren kann, und nicht immer nur das schlecht macht. Es gibt auch Punkte im Rahmen eines Profidaseins, wo man sagt, das muss man bitte auch mit abwägen. Die Zeit danach. Und ich sehe die Gefahr genau wie Du, Franz - und ich finde die Vorstellung verheerend -, dass wir sagen, dieser blühende Bereich Fußball-Bundesliga, wo Woche für Woche die Stadien voll sind, wir haben im Stadion seit Jahren einen Schnitt von 30.000 Zuschauern. Die Stadt findet das Klasse, es ist absolut eine Bereicherung. Wenn wir zweitklassig sind, weil die Europaliga dann erstklassig ist, dann empfinde ich das wie einen Abstieg. Und dann werden wir keine 30.000 Zuschauer mehr haben. Das ist dann vielleicht nicht so schmerzhaft, dann werden die Spieler nicht so viel verdienen, sondern etwas weniger verdienen. Aber die Attraktion, das fehlt in der Region. 

Und dann komme ich zum Sozialen. Dann werden die Leute noch ein bisschen mehr gedeckelt hier herumlaufen, weil - dann sind sie nicht nur in einer sozial schlechteren Lage, dann sind sie auch noch zweitklassig und dann haben sie keine Chance da ‘reinzukommen. Noch dazu wenn die G 14 oder G 20 sagen, wir wollen keinen Aufstieg oder keinen Abstieg, sondern wir wollen ewig lange an den Fleischtöpfen hängen und dann werden sie mit Agenturen entsprechend das vielleicht auch sicherstellen und eines Tages ist das vielleicht langweilig, dann wird man die Weltmeisterschaften auf Vereinsebene alle halbe Jahre durchführen um dann die Quoten zu bringen, die sie sich vielleicht vorstellen. Aber da sehe ich eine große Gefahr. 

Ich sehe auch eine Gefahr darin, wenn jetzt Franz Nitsch sagt, das ist doch kein Problem, gründet AG’s und dann geht es euch gut und könnt ihr nochmal die Spieler mit Geld vollschlagen. Denn erstens ist es nicht mein Ziel, den Spielern die Taschen vollzuschlagen, obwohl wir ja auch unter einem furchtbaren Druck sind. Weil jetzt überlegen wir natürlich: Was können wir denn unseren Dauerkarteninhabern sagen. Die sind nun traurig, dass ein Stammspieler den Verein verläßt. Und jetzt überlegen wir: Wen können wir denn jetzt verpflichten für die neue Saison und sagen, seid nicht traurig, wir schlafen nicht, wir rüsten auch nach und wir verpflichten jetzt den Spieler X oder Y. Und das geht ja auch nur, indem wir in die Taschen kommen und wieder zusätzlich Geld regenerieren.

AG - ich glaube nicht, dass das so leicht geht. Erst einmal gibt es in Deutschland sehr sehr strenge Gesetze, wenn man an die Börse will. Und diese Regeln und Gesetze muss man alle erst einmal berücksichtigen und erfüllen, und das können nur ganz wenige Clubs. Werder Bremen ist einer von denen, die das können - und dennoch wollen wir das nicht, weil es vor vier Jahren nach einer ganz gründlichen Untersuchung eines hochqualifizierten Mannes - dem Chef von Golzag, der macht das seit mehreren Jahren professionell -, der hat uns eine Ausarbeitung gemacht. Und daraufhin hat dann das Präsidium alles abgewogen, hat gesagt: Wir sind viel zu wenig diversifiziert, wir müssen viel stärker diversifiziert sein um überhaupt daran zu denken. Steuerlich absolut negativ. Aus steuerlicher Sicht soll man ganz die Finger davon lassen. Und wir haben gesagt: Solange wir das Kerngeschäft Fußball so beherrschen wie wir es machen, mit einem Präsidenten und einem Vizepräsidenten, die seit 28 Jahren im Amt sind und die wissen wovon sie reden, und die diesen Anspruch, den ich Ihnen klargemacht habe, massiv vertreten. Hoffentlich bleiben sie noch lange im Amt, dass das weiter noch so geht, und wir nicht eines Tages sagen: Was scheren uns die Amateurabteilungen, die kosten nur Geld. Das fegen wir weg und wir konzentrieren uns jetzt auf eine AG-Gründung, koppeln uns ab vom Breitensport und den sozialen Ansprüchen, denken nur noch an Kohle. Wenn Du nur noch an Kohle denkst, dann geht das schief. 

Weil irgendwann ist die Äußerung da, die Sie eben vorgetragen haben: Kinder spielt alleine weiter, ich gucke mir das vielleicht im Fernsehen an, aber vielleicht eines Tages auch das nicht mehr. Das ist schlecht. Es muss Spannung drinbleiben, es muss ehrliche Arbeit zurückkommen für ehrliches Geld, das ich an der Stadionkasse abgebe. Das muss unser Interesse sein, und nicht: Wie denke ich darüber nach, noch mehr Kohle über einen Börsengang zu kriegen. Und dann habe ich wieder 100 Millionen und dann schmeiße ich die raus. Aber so einfach ist das auch nicht. Wenn ein Aktionär - und es werden nur wenige Fans sein, die das mitmachen -, sondern wenn Du richtig 100 oder 200 oder 300 Millionen einnehmen willst, dann musst Du den Aktionären sagen, was Du ihnen für eine Rendite ausgibst. Und Du willst doch eine stimmrechtslose Aktie ausgeben. Du willst doch wahrscheinlich nicht, dass Bayer Leverkusen eines Tages Mehrheitsaktionär bei Werder Bremen ist. Also musst Du denen eine Rendite auszahlen, eine Dividende auszahlen. Und das wird aber schwer sein, denen jedes Jahr eine Dividende auszugeben, wenn Du gerade mal Sechzehnter geworden bist und die entsprechenden Fernseheinnahmen fehlen. Hier sehe ich große Probleme und es ist nicht das Allheilmittel, das möglicherweise von einigen so gesehen wird, zumal, wie ich eben gesagt habe, nur sehr sehr wenige Vereine das überhaupt nur realisieren können. Ganz wenige, die kann ich an einer Hand abzählen, die in der Lage sind, aufgrund der Gesetze und der Bestimmungen das heute zu erfüllen.

Heinz-Helmut Claussen:

Ich wollte die folgende Frage stellen: Wie groß ist eigentlich der Sog, der von Europa ausgeht, von den Wettbewerbsbestimmungen, die die Bundesliga rein als einen kommerziellen Betrieb betrachtet, einen Geschäftsbetrieb betrachtet, der auch den Geschäftsgepflogenheiten unterliegt. Und der nicht mehr die Zielsetzung hat - das unterstelle ich einmal -, die jetzt Willi Lemke eben gesagt hat, dass hier ein sozialer Anspruch da ist, den er auch an sich selbst stellt mit seinem Verein, dem er aber eben wegen dieser Sogwirkung gar nicht mehr gerecht werden kann in Zukunft. Denn das, was da im Augenblick - ich habe selbst mit van Miert über diese Probleme gesprochen vor zwei Jahren - was dort im Augenblick unter Sport verstanden wird, das ist in der Tat regelrecht Kommerz. Und in der jetzt vorgestern herausgegebenen Mitteilung aus Brüssel steht ganz klar drin, das was im Augenblick gemacht werden muss. 

Und da ist jetzt die Frage gerade für den Fußball, wie weit färbt der Geschäftsbetrieb der Bundesliga ab in die anderen Bereiche, die darunter liegen? Und wie weit ist da die Sogwirkung von Europa, sprich: Brüssel, von der Kommission auf unser Gebaren hier? Das würde mich interessieren, wie eigentlich die Bundesliga im Augenblick darüber denkt. Denn wenn man van Miert hört, und Europa hört, also Frankreich, Holland, dann ist für sie Sport im Geschäftsbereich völlig in Ordnung, denn das andere ist in der Schule und in den Universitäten, aber nicht wie hier in einer Vereinskultur. Und das muss man sehr genau sehen, weil von der Ökonomisierung des Sports dann auch Auswirkungen auf das, was wir heute morgen mit Prozessorientierung im Sport behandelt haben, vor allen Dingen im Fußball, und eben mit der Produktorientierung gesagt hatten, dass das eine Balance sein muss. Ich rede also nicht der alleinigen Prozessorientierung, also der Individualisierung und der Spontaneität das Wort, sondern ich möchte, dass das in einer Balance steht. 

Und letzten Endes, wenn man jetzt Otto Rehhagel hört - mit ihm habe ich damals oft darüber gesprochen - dann ist er auch auf der Schiene, dass man sagt: natürlich müssen wir diesen Spagat machen, von dem Willi Lemke spricht, der Ball muss ins Tor - aber auf der anderen Seite ärgerst Du Dich natürlich auch, wenn spielerische Funktionen nicht klarkommen. Das konnte man am Mittwoch hervorragend sehen, wo der Linksaußen, der Ball durchgeht in die Mitte, ein klassischer Angriff über die Flügel, und dann erst die Enttäuschung, dass der Ball nicht ins Tor ging, aber danach die Freude darüber, dass es ein wunderbarer Angriff war - und dann ist er [Rehhagel] rumgesprungen. Also auch da zwei Seelen in seiner Brust. Mit anderen Worten: Ich meine schon, dass wir dieses Problem nochmal richtig für die Entwicklung des Fußballs, wenn es heißt „Quo vadis, Fußball“, richtig in den Griff nehmen müssen, auch unter diesem kommerziellen Gesichtspunkt. Wie gesagt, letzte Frage: Wie nimmt Brüssel Einfluß auf diese Frage für die Bundesligavereine und für den Sport in der Bundesrepublik insgesamt? 

Walfried König: 

Ich möchte dem Verein Werder so, wie er hier dargestellt worden ist, zunächst einmal gratulieren zu diesem Selbstverständnis und darauf hinweisen, dass andere Vereine im Anschluß an das Bosman-Urteil ganz andere Überlegungen angestellt haben. Denn sie haben sich ja nicht mehr weiter gefragt: Wie halte ich die sozialen Bindungen aufrecht, wie fördere ich den Sport bei all denen, die sich mir anschließen wollen. Sie haben sich nur noch gefragt: Wie bezahle ich in Zukunft meine Profispieler? Ich nenne einmal das konkrete Beispiel von Eintracht Frankfurt, die unmittelbar anschließend mehrere Abteilungen einfach abgestoßen haben, weil sie gesagt haben, wir sind nicht länger bereit [oder vielleicht auch: wir sind nicht mehr länger in der Lage], mit dem Geld, das wir in der Fußballabteilung verdienen, noch anderen Sport zu finanzieren. Also noch einmal, Herr Lemke, das ehrt Ihren Verein ausdrücklich!

Ich will versuchen mich hier zu beschränken auf diesen Aspekt, der hier angesprochen wurde im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Profifußballs. Ich will nochmals darauf hinweisen, dass dies nicht so unmittelbar abhängt von der Europäischen Union, sondern dass dies unmittelbar abhängt von der Beschlussfassung in der UEFA. Und auch die G 14 oder das mögen dann G 16 oder am Schluß G 32 werden oder wieviele auch immer, können nicht alleine darüber entscheiden, ob sie in Zukunft in Europa dann außerhalb der UEFA und außerhalb der Nationalverbände in einer Liga oder in zwei Ligen spielen. Es droht ihnen ja, wenn die UEFA und wenn die Nationalverbände hier übereinstimmen, dann auch wirklich der Ausschluß aus dieser bisherigen Fußballfamilie. Das wäre ein Art... 

[mehrere]:

...das ist aber gut möglich!

Walfried König:

Na klar, natürlich. Aber hier geht es um die Frage der Konsequenz, mit der der internationale Fußballverband jetzt auf UEFA-Ebene, auf FIFA-Ebene diese Frage handhabt. Was Brüssel angeht, hat die Kommission damit zunächst gar nichts zu tun. Die EU-Kommission befaßt sich ja mit ganz anderen Fragen. Und hier kann man Gottseidank feststellen, nach dem, was Heinz-Helmut Claussen eben zitiert hat, was aber nun doch in seiner unmittelbaren Begegnung mit Karel van Miert zwei Jahre zurückliegt, ein erheblicher Bewußtwerdungsprozess inzwischen stattgefunden hat. Während noch unmittelbar vor Amsterdam, also etwa gegen Ende 1997, in Briefwechseln zwischen Karel van Miert und dem Europäischen Parlament Vereine nur als Betriebe, Verbände nur als Betriebsvereinigungen bezeichnet wurden, ist dann einiges geschehen - ich will das jetzt gar nicht beschreiben -, was inzwischen klarmacht, dass es hier im Grundsatz um eine Auseinandersetzung in der Frage geht: Wo muss staatliches Recht greifen, oder supranationales Recht greifen, bzw.: Wie weit muss Verbandsrecht auf der anderen Seite gewährleistet sein? Und da hat die Kommission inzwischen begriffen, dass man mit dem Sport auch da, wo er wirtschaftlich fähig ist, nicht ausschließlich nach der wirtschaftspolitischen Elle messen kann. 

Die haben begriffen, dass ihnen ansonsten ein Prozess droht, den irgendein Spieler anberaumen könnte, weil er die rote Karte bekommen hat und ihm jetzt anschließend die Arbeitsberechtigung, die Spielberechtigung für zwei Monate entzogen wird. Die haben begriffen, aufgrund des Prozesses, den Madame de Liege angestrengt hat, dass hier versucht wird, Verbände auszuhebeln in ihrer Berechtigung, Athleten international zu melden, während Madame de Liege möchte, dass nur sie selbst ihre Teilnahme an internationalen Veranstaltungen regelt. Sie hat im Zusammenhang mit der Klage eines Basketballers begriffen, dass auch hier Verbandsrechte gewährleistet sein müssen, weil der Spieler möchte, dass er während einer Saison zu jeder beliebigen Zeit wiederum seinen Arbeitsplatz wechseln kann - mit allen Verfälschungen, die dann eben entstehen würden. 

Und diese Beispiele demonstrieren nun, dass hier bestimmte Dinge verbandsrechtlich einschließlich der Sanktionen möglich sein müssen. Und dafür gibt es inzwischen erste Beispiele. Ich nenne als einzigen Fall wieder von vielen möglichen den Fall des FC Wimbledon, wo Karel van Miert eine klare Aussage getroffen hat. Der FC Wimbledon möchte ja weiter Mitglied der Premier League in England bleiben, aber seine Heimspiele in Dublin durchführen, um dort ein besseres Zuschaueraufkommen zu haben. Hierzu hat Karel van Miert als Sprecher der Kommission ganz eindeutig gesagt: Wir haben das nicht zu entscheiden, aber wir gehen davon aus, dass dieses allein die Verbände entscheiden und die ein Recht darauf haben zu definieren, ob die Mitglieder ihrer Ligen regional dort auch zu Hause sein müssen oder nicht. 

Quintessenz: Ich denke, hier klärt sich langsam ein Prozess, der am Ende zeigen wird, dass supranationales Recht sich um das kümmert, was nun tatsächlich allein unter Wirtschaftsaspekten gesehen werden muss, während man auf der anderen Seite aber das, was nur den Sport betrifft, und das ist ja wieder Ihr Ausgangspunkt - wie wird die Liga-Konstruktion in Zukunft sein, wie die der Champions-League, dass man das tatsächlich dem Sport zur Selbstorganisation überläßt. Und da frage ich Sie, Herr Lemke, ob Sie diese Auffassung teilen, oder ob Sie da solche Äußerungen mit Skepsis aufnehmen?

Willi Lemke: 

Ich habe große Befürchtungen vor der EU, weil es viele Möglichkeiten, viele Bereiche gibt, wo sich die EU in unsere Belange einmischen kann - ich sage das ganz bewusst so. Das Bosman-Urteil ist für die Bundesliga und die europäischen Verbände eine große Katastrophe. Ohne wenn und aber. Es würde der Bundesliga erheblich besser gehen, wenn es das Bosman-Urteil nicht geben würde. Trotzdem wussten wir es im Prinzip alle vorher, über Jahre - denn wann immer wir auf Managertagungen zusammengekommen sind, haben wir gesagt, hoffentlich fasst das heiße Eisen Transferentschädigung niemand an, hoffentlich klagt nicht mal einer - das war uns eigentlich jahrzehntelang bekannt. Und dennoch war es ein wirklich gut funktionierendes System, um die unverschämten Forderungen der Spieler im Zaume zu halten, weil es eben diesen Ausgleich zwischen den Vereinen gab. Und das war fantastisch gelaufen über Jahrzehnte und ist von der EU zerstört worden zum Schaden des Sports. Ohne wenn und aber. 

Und je mehr Gefahr dort besteht - ich sage jetzt mal ein Beispiel, das haben Sie, Herr König, sehr schön eben genannt, das mir noch gar nicht so bewusst war, aber wo natürlich auch sofort die nächste Möglichkeit ist: Warum hindert eine UEFA-Bestimmung oder eine FIFA- oder DFB-Bestimmung einen Arbeitnehmer, während des Jahres seinen Arbeitsplatz zu wechseln? Der fliegt raus, ist frei, und möchte einen neuen Job haben, und die Bestimmungen der des DFB, der UEFA, der FIFA hindern ihn, seinen Job anzufangen. Der muss warten. Wir können keinen angestellten Fußballer jetzt unter Vertrag nehmen, sondern wir können ihn erst ab dem 1.7. unter Vertrag nehmen. Der kann seinen Job nicht ausüben. Eigentlich braucht der doch nur zu sagen: Moment mal, ich würde das gerne so haben, dass ich sofort wechseln kann - und dann würde er schon wieder etwas auseinanderhebeln, was seit Jahrzehnten hervorragend funktioniert. Also da habe ich sehr wohl - um diese Frage zu beantworten - eine große Befürchtung, denn wir müssen uns dem ja unterwerfen. Und wenn die EU-Kommission das durchsetzt, was einige Vereine hoffen, und wir kommen zu einer dezentralen Vermarktung des Fußballs, so schadet das dem Fußball ganz eindeutig.

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