Quo
vadis, Fußball?
Diskussion
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Universität
Bremen, Zentrum für Sozialpolitik
Quo
vadis, Fußball?
Diskussion,
I (Auszug)
Leistungsorientierung
und Erwartungshaltungen, Fair Play und Gerechtigkeit im Nachwuchsfußball
Heinz-Helmut
Claussen: |
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Ich fand den Beitrag von
Herrn Schulze-Marmeling sehr treffend. Der Weg des Fußballs geht
von der Prozessorientierung zur Produktorientierung: Das, was an Ergebnis
dabei herauskommt, ist das entscheidende. Und indem das so geschieht, ist
im Grunde genommen das spielerische Element verloren gegangen. Und zwar
verlorengegangen in einer Weise, dass das Kind im Grunde genommen sofort
akzeleriert, zeitverzogen eingeübt wird auf ganz bestimmte Bewegungsabläufe,
damit das Produkt erfolgreich ist. Und das halte ich - ich spreche jetzt
einmal als Pädagoge - für einen ganz großen Fehler, den
wir in unserer Zeit den Kindern angedeihen lassen. Nicht nur die Eltern,
nicht nur der Trainer - es sind auch die Schiedsrichter, es sind auch die
Vereinsvorsitzenden, es sind alle die, die dafür Sorge tragen - und
jetzt komme ich auf einen Satz zurück, der eben gefallen ist -, dass
die Eltern ihre Kinder aus Vereinen, in denen noch dieses spielerische
Moment in der F-Jugend, in der E-Jugend vorherrscht, zum Verein Werder
geben, wo eben so professionalisiert von diesen Trainern gearbeitet wird,
dass möglichst schnell der Erfolg da ist. |
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Und das überträgt
sich dann unter Umständen auf die sportbetonten Schulen, die wir jetzt
hier in Bremen eingeführt haben: Eine für Handball, die jetzt
kommt und eine für Fußball, die schon zwei Jahre da ist. Aber
das bedeutet im Grunde genommen, dass die Bewegungsvielfalt der Kinder
frühzeitig eingeschränkt wird und sie nicht mehr zu dem kommen,
was sie eigentlich gerechter Weise haben müssten. Und das kann sich
dann übertragen lassen auf Gerechtigkeitsempfinden, auf Lernprozesse,
alles das, was notwendiger Weise eigentlich mit den Kindern gemacht werden
müsste. |
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Und da setzt meine Kritik
an. Denn wenn dieses alles nicht geschieht, ist das Kind auch nicht in
der Lage, das, was über Fernsehen transformiert wird, richtig zu verstehen.
Das ist im Grunde genommen dann der Einfluss auf die Kinder, die das einfach
- von den Eltern transportiert, von den Trainern transportiert - dann so
hören und umsetzen. Und je länger sie in diesem Prozess drin
sind, um so eher ist die Produktorientierung da, um so eher wird der Spieler
ein Mittel zum Zweck des Produktes, um so mehr färbt die Bundesliga
auf die zweite Liga ab, die zweite Liga auf die Regionalliga bis runter...
Es durchdringt alle Bereiche, auch die finanziellen Bereiche. Auch das
Verhalten der Spieler zu dem eigenen Tun selbst, zum Spielen, ist nicht
mehr das des Spiels und des Fußballspiels, sondern ist unter Umständen
schon das des Geldverdienens - dass sie sagen, in der Regionalliga ich
bekomm dafür so und so viel, ich gehe nur dahin, wenn ich so und so
viel bekomme. Das heißt, es tritt eine Verzerrung des Spiels ein,
und das, was wir vorhin beklagt haben, dass der Profisport nur zwei Prozent
ausmacht, und diese zwei Prozent die ganze Medienwirklichkeit bestimmen,
und damit ein völlig falsches Bild vom Fußball an sich in der
Öffentlichkeit bewirken, vor allem auch bei den Politikern bewirken,
was die Förderungsmöglichkeiten einschränkt. Politiker verhalten
sich dann eben anders. |
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Wenn man jetzt Fußball
wieder reformieren will, dann muss man nach meinem Dafürhalten - so
überzeugend das Bild bisher immer war von der Pyramide mit unten Breitensport
und oben Spitzensport und darauf dann der Profisport, wenn sich ein Markt
ergibt - das muss auch ein bisschen getrennt werden. Vielleicht tritt dort
im Fußball jetzt eine gleiche Entwicklung ein wie etwa in der Kultur,
beim Orchester, dass richtige Schulen eingerichtet werden, in denen eben
Musiker herangebildet werden. So werden dann halt auch Schulen eingerichtet,
als Beruf, wo dann der Profisport sich den Nachwuchs besorgt, und dann
wird das ganze, der ganze Profisport wird dann ein Showgeschäft, hat
aber eigentlich mit dem Amateursport nichts mehr zu tun, wo der Spieler
im Mittelpunkt steht, wo wir alle unsere eigene Biografie sozusagen begründen,
und wo wir meinen, das macht doch den Sport eigentlich aus und dafür
müssen wir uns einsetzen. Das wird vielleicht möglich, denn 98
Prozent des Sports können wir ja nicht einfach so über Bord werfen,
selbst wenn der Einfluss von den Medien sehr groß ist. Es gibt viele
Sportarten, in denen auch Wettkampf ist, in denen auch Leistung gebracht
wird, die überhaupt nicht medienwirksam sind, wo aber eben alles das
- und nicht nur im Dorf - wo alles das noch möglich ist, was wir,
wie ich meine, ein Leben lang praktiziert haben und wo man sich wünschen
würde, dass diese Werte, die eigentlich unser humanum ausmachen, dann
auch in Zukunft am Leben bleiben. |
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Gunter
A. Pilz: |
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Etwas ganz wichtiges ist
das Argument von der Wandlung vom Prozess zum Produkt. Natürlich,
das ist genau der zentrale Punkt. Blinkert hat einmal sehr schön in
einer Analyse deutlich gemacht, dass wir - und dadurch zeichnen sich moderne
Industriegesellschaften aus - in einer Gesellschaft leben, in der Werte
und Normen nach einer ganz einfachen Kosten-Nutzen-Kalkulation benutzt
werden. Man nennt das soziologisch-deutsch: utilitaristisch-kalkulative
Perspektive. Das heißt, die Frage, ob ich eine Regel einhalte oder
nicht, ist nicht eine Frage meiner moralischen Integrität, sondern
die Frage: was nutzt mir mehr und was schadet mir mehr. Das ist der zentrale
Punkt. Und deshalb wäre ja die Konsequenz, wenn ich das Problem lösen
will - so versucht es ja der Fußballbund und die FIFA und die UEFA
- wenn das stimmt, dann habe ich nur eine Chance das Problem beim Profitum
zu lösen, indem ich die Strafen für solche Dinge verschärfe.
Und deshalb gibt es jetzt schon für relativ einfache Geschichten mittlerweile
rote Karten. |
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Und zum zweiten wurde ja
eingeführt, das war bei der WM 1990 das erste Mal, dass man nach einer
gelben Karte gab es 15.000 Schweizer Franken Strafe bekam, nach einer roten
30.000, inder Hauptrunde sogar bis zu 50.000. Und jetzt kommt die spannende
Reaktion. Der Franz Beckenbauer als damaliger Teamchef hat sofort, als
das rauskam gesagt: Leute, die diese Maßnahme ergriffen haben, haben
von Fußball keine Ahnung und hat gesagt, der DFB will, dass wir Weltmeister
werden, und da müssen wir auch Foul spielen. Also müssen wir
auch eine rote oder gelbe Karte notfalls akzeptieren, und wenn es die gibt,
möge bitte der DFB die Strafen bezahlen. Und der DFB hat konsequenterweise
die Strafen bezahlt, mit einer Ausnahme: Wenn es die gelbe oder rote Karte
für Meckern gab, die hat er nicht bezahlt. Ja nein, weil das auch
mit Erfolgsorientierung nichts zu tun hat, da sieht man einfach ein Stück
weit die Richtung. Und dann dann will noch ein Beispiel nennen und mache
das Ganze noch einmal deutlich mit dieser utilitaristisch-kalkulativen
Perspektive und mit der Brutalisierung. |
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Wo wir heute natürlich
aufpassen müssen ist, mit dem Begriff der Brutalisierung könnte
man tun als wäre heute alles viel weniger schlimm. Es verdrängt
sich ja vom Körperlichen zum Verbalen. Das ist das Eine. Also was
passiert im Verbalen, in Provokationen. Und wir haben momentan Befragungen
durchgeführt, wie oft oder wie häufig wirst Du während des
Spiels verbal provoziert? Und da sagen bis zu 80 Prozent der C-Jugendlichen,
sagen da ja und schreiben auch dann drauf, in welcher Weise darauf zurückreagieren
und dann zum Teil körperlich. Übrigens die ausländischen
Jugendlichen, die wir dann differenziert haben, hochsignifikant mehr körperlich
darauf reagieren als die deutschen Jugendlichen, die haben sich vielleicht
nicht so im Griff. Da kriegt man dann auch noch vielleicht mit, warum momentan
es gerade auf der Ebene relativ viele Auseinandersetzungen zwischen deutschen
und ausländischen Jugendlichen auf dem Fußballplatz kommt. |
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Walfried König: |
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Herr Pilz, gestatten Sie
eine Zwischenfrage? Kann es sein, weil Sie jetzt sagen 80 Prozent, dass
das in der Schule oder in der S-Bahn oder auf der Straße noch viel
mehr Prozente sind, wenn die miteinander zu tun haben? |
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Gunter A. Pilz: |
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Was verändert das? |
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Walfried König: |
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Das verändert ein bisschen
die Perspektive mit dem Blick auf den Sport. |
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Gunter
A. Pilz: |
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Nein, das glaube ich nicht.
Also da tun Sie so, als wenn alle Jugendlichen auf der Straße so
reagierten. Da würden Sie wahrscheinlich geringere Prozentsätze
kriegen. Da könnten wir uns jetzt noch lange drüber unterhalten,
also ich glaube, so kann man nicht argumentieren. Aber worauf ich hinaus
will ist, und das ist denke ich das ganz spannende an der Geschichte. Der
niedersächsische Auswahltrainer, ich sage auch den Namen, er heißt
Stockhausen, der die niedersächsischen Jugendlichen vor allem im C-
und B-Jugendbereich betreut, hat auf unsere Initiative in Richtung Fair-Play
folgendes wörtlich gesagt: Ich werde bezahlt um erfolgreich zu sein,
und da kann ich keine Rücksicht auf Fairness nehmen. Und jetzt kommt
eine entscheidende Aussage. Das heißt nicht, dass ich von einem Spieler
erwarte, dass wenn der andere durchläuft, er ihn brutal foult, ernsthaft
verletzt. Aber man kann sich ja auch davorstellen, ihn auflaufen zu lassen.
Also stoppen ohne Ball, das kann ja auch wehtun. Und dann hat er uns eine
schöne Begrifflichkeit gebracht. Es wird ja auch viel geredet von
einem „humanen Foul“, ein wunderschöner Begriff: humanes Foul. Das
heißt, er soll ihn nicht ernsthaft verletzen, aber natürlich
verhindern, dass er durchläuft. Also das ist das, was die auch mit
dem „fairen“ Foul meinen. Faires Foul heißt, den Gegenspieler zwar
notfalls foulen, aber nach Möglichkeit nicht so, dass er ernsthaft
verletzt wird. Das sagt er. Und dann hat er noch einen weiteren Begriff
gebracht und der war für mich dann das besonders bezeichnende, da
hat er nämlich fortgeführt und hat wörtlich folgendes gesagt:
Da zeigt sich zwar einerseits eine gewisse Unsportlichkeit, aber die wird
ja auch durch den Schiedsrichter geahndet. Und jetzt kommt der Gegenbegriff.
Aber auf der anderen Seite auch eine gewisse Cleverness. Unsportlich versus
clever. Da wird das negativ-positiv bewertet und das brauchen wir beim
Fußball und wenn wir das nicht hätten, würden wir viel
verlieren. Das hat er wörtlich gesagt. |
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Ich werfe ihm das gar nicht
vor. Der Einstieg war, ich werde dafür bezahlt und mein Präsident,
der viel Geld ausgibt für den Fairnesspokal und Fair-Play-Wettbewerb
in Niedersachsen, der ist gleichzeitig derjenige, der von mir sagt, es
interessiert mich nicht, wie, hauptsache ihr werdet dann nachher auf der
deutschen Ebene möglichst erfolgreich sein. Also diese Widersprüchlichkeit,
die der erfährt und wie er sie umdefiniert, zeigt ja, dass wir mit
dem Begriff der Brutalisierung dem Problem nicht gerecht werden. Denn was
bleibt, ist, dass man im Sinne des Erfolgs sagt, aus der Produktorientierung
ist es legitim, ist es clever und erforderlich, die Regeln bewußt
- nicht aus Zufall - zu verletzen. Das ist die Botschaft. Ob das brutal
oder weniger ist, hat etwas mit sozialhistorischer Tabuisierung von Formen
der Gewalt zu tun und dem Zurückdrängen von Affekten. |
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Hans-Jürgen Schulke: |
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Ich meine, dass Brutalität,
was hier thematisiert worden ist, nichts fußballspezifisches ist,
sondern das könnten wir auch diskutieren im Eishockey, am Bundesligahandball,
am Wasserball, wo vieles unterhalb der Oberfläche bleibt oder im Prinzip
sozusagen an allen Spielen. Ich möchte deswegen - und so haben wir
uns hier glaube ich auch verständigt durch die Einladung - eine Hypothese
vorschlagen, die das Problem Gerechtigkeitserfahrung im Zusammenhang mit
Fairness, Fair-Play aufgreift. |
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Wenn ich es richtig sehe,
dann ist der moderne Sport - vor allem die Spiel-Sportarten - diesem Begriff
sehr eng verbunden und Herr Csaknady hat auch von „Wettkampfethos“ gesprochen.
Ich bitte Sie, sich darauf zu konzentrieren auf diesen Begriff Wettkampfethos.
Der moderne Sport ist sehr eng mit dem Wetten verbunden. Wetten macht nur
Sinn, wenn wir eine Chancengleichheit zu Beginn eines Spiels haben und
wenn derjenige, der auf etwas wettet - egal ob es beim Roulette, beim Lotto,
beim Kartenspiel, sonst irgendwo ist - sicher sein darf, dass sozusagen
alle Optionen gleichermaßen möglich sind. Und meine These ist,
oder andersherum vielleicht noch dazwischen geschoben als Parenthese, dass
dieser Begriff des Fair Play entstanden ist aus dem Wunsch und der festen
Absicht derjenigen, die weitestgehend an diesem Wettgeschäft beteiligt
waren, eine Chancengleichheit, gleiche Voraussetzungen für alle zu
haben, damit nicht das Ergebnis und damit auch die Wette verfälscht
wurde. |
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Daraus ist ein komplexes
Regelwerk entstanden und so hat in dieser Perspektive die moderne Sportentwicklung
angefangen, in der meines Erachtens immer wieder den Versuch sehen, durch
Regelung, durch ethische Orientierung, was auch immer, diese Chancengleichheit
mit Fairness herzustellen und damit meine erste Hypothese: Eigentlich das,
was den modernen Sport auch dann als Mediensport auszeichnet sozusagen
immer wieder authentische Spannung zu produzieren. Das, was kein Theaterstück,
kein Film oder sonst irgendwas kann, weil dort Rollen und alles andere
verteilt sind. Sondern hier haben wir sozusagen eine offene Situation,
authentisch, spannend. |
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Meine These wäre, dass
es heute im modernen Sport kein Spiel gibt, das in komprimierterer und
vielleicht übersichtlicherer Form immer wieder diese authentische
Spannung reproduziert, als das Fußballspiel. Das ist sozusagen seine
innere Dynamik, seine Entwicklungsdynamik. Und dass das Fußballspiel
dann gefährdet wird, wenn diese innere Dynamik und authentische Spannung
gefährdet wird. Entweder durch Mitspieler, indem sie sich durch Foulspiel
Vorteile verschaffen, das wiederum setzt voraus meine ich, dass ein Gerechtigkeitsempfinden,
dass alle sozusagen einen Pegel haben und sagen, wenn sich jemand einen
unangemessenen Vorteil verschafft, dann ist das ungerecht. Bis hin, dass
es sozusagen öffentlich durch die Medien wird bzw. dass einige in
dem Moment, wo beispielsweise, die Befürchtung klang ja bei Franz
Böhmert an, dass in dem Moment wo große Konzerne sich dieses
Spiels bemächtigen und möglicherweise das Regelwerk verändern,
oder es nur eine Champions-League gibt ohne Auf- und Abstieg, dass diese
Fairness, Spannung und durch die Spannung dann das Gerechtigkeitsempfinden
brüchig werden kann. |
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Dietrich Schulze-Marmeling |
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Ich will mal bei dem letzten
ansetzen, was gerade gesagt worden ist. Das ist ja eine uralte Debatte,
ob man möglicherweise den Bereich in den Griff bekommt, indem man
keine Tabellen macht, indem man die Ergebnisse nicht zählt und so
fort. Das Problem ist, wir haben es mit einem Spiel zu tun, wo sich zwei
Mannschaften gegenüberstehen und wo an den Enden des Spielfeldes jeweils
so ein Gebälk ist, wo der Ball reinmuss. Das ist nun mal die Binsenweisheit
im Fußball. Das ist so. Und jetzt im Kreis Münster-Warendorf
hat man beispielsweise kurz vor dieser Saison für E und F die Tabellen
abgeschafft. Der Erfolg ist der, dass jetzt heimlich gezählt wird.
Eine Einteilung wird also wieder gemacht, auch zu Recht, weil man vergleicht
dann die Spielstarken Mannschaften, denen nutzen auch keine 15 oder 20
zu Null-Ergebnisse, sondern die sollen wirklich gegeneinander Spielen.
Der Erfolg war, dass ich einmal mitbekam, dass einer von unseren Spielern
zum anderen sagte, wir kommen dieses Jahr schon wieder in die Champions-League.
Also ich hab die ganze Zeit nirgendwo Tabellen gelesen, aber das hatten
die sich schon irgendwie selber ausgerechnet. Man erlebt das auch immer
im Training. Beim Training sagt ein Spieler, es steht 4:3 für uns.
Und dann sage ich ihm, Du, ich zähl das gar nicht mit, das interessiert
momentan gar nicht. Und der sagt, ja Du hast recht, stimmt, das interessiert
mich auch gar nicht, aber es steht doch 4:3 für uns? |
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Und es ist ein bisschen
das Problem, das dies in der Anatomie dieses Spiels, in der Natur dieses
Spiels einfach drinsteckt, und zwar ganz gleich, ob ich jetzt in einer
Meisterschaft spiele oder ob mein Sohn trotz Verbots zum wiederholten Mal
mit seinem Kumpel bei uns im Wohnzimmer spielt. Auch da höre ich nur
geteilte Meinungen, war es ein Tor oder war es nicht, und so weiter. Ich
glaube, wir kriegen das nur durch eine begleitende Pädagogik in den
Griff aber nicht über derartige Maßnahmen. Wobei ich jetzt nicht
sage, man sollte diese Maßnahmen dort aus dem Kreis Münster-Warendorf
wieder zurücknehmen. Man soll dabei ruhig bleiben, bloß letztendlich
wird das nicht so furchtbar viel an dem Verhalten von Trainern und von
Mannschaften verändern. Und ich muss sagen, ich glaube, dass auch
diese Ambivalenz in einem selber durchscheint. Die wurde vielleicht in
meinem Referat deutlich. |
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Zu dem Punkt, den Herr Pilz
angesprochen hat, zu der Pampers-Liga. Das ist in der Tat eine völlig
unsägliche Entwicklung, die dort im Gange ist, wo nämlich der
Leistungsdruck und die Ergebnisorientierung bis nach ganz ganz unten runtergereicht
wird und ich frage mich hier also, was gehört als nächstes da
im Angebot dazu. Wenn man sich so ein Pampers-Ligaspiel anschaut, da werden
von den Eltern Sachen reingerufen - die gehen von so einfachen Dingen los
wie, eigentlich musst Du in die Richtung spielen, aber er spielt in die
andere Richtung, weil er halt gerade mal eben vier Jahre alt ist und das
Wesen des Spiels noch nicht richtig begriffen hat - mit denen die Spieler,
mit denen die Kinder überhaupt nichts anfangen können. Zum Teil
ist das natürlich auch ein Reflex darauf, dass die Möglichkeiten
für diesen wilden, kreativen Straßenfußball, wenn man
das mal so nennen will, immer geringer werden. Und dann gibt es nur noch
die organisierte Form des Sportvereins in der ich so etwas überhaupt
betreiben kann. Aber die Pampers-Ligen zumindest als Ligen sollte man meines
Erachtens konsequent abschaffen. Was in dem Alter angesagt ist, ist ein
Kinderturnen mit Ball. Aber das reicht auch. Und was ansonsten dort abläuft,
da Frage ich mich wirklich, was kommt als nächste Steigerung? |
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Als Drittes die Erwartungshaltung
von Kindern. Ich denke es hat ein bisschen damit zu tun - ich habe das
schon an einem anderen Punkt kurz erwähnt - wie Fußball heute
präsentiert wird und vom Fernsehen inszeniert wird, das war füher
ja auch mal anders. Die Kinder müssen den Eindruck bekommen, es gibt
nur Sekt oder Selters im Fußball. Also es gibt Bayern München
und Borussia Dortmund, die stehen ganz oben, und Schalke, Kaiserslautern
und vielleicht bald auch Hertha. Also zu unseren Zeiten war das doch so,
man ist dann irgendwie von Kamen ist man Samstags ins „Rote Erde“ nach
Dortmund gefahren und am Sonntag haben wir uns das Bezirksklassespiel hier
in Kamen angeschaut und hat sich gesagt: am liebsten würde ich ja
auch in die Bundesliga kommen, aber wenn es dann einmal für die erste
Mannschaft reicht des VfL Kamen, das ist dann auch schon ein Riesenerfolg. |
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Es gibt heute andere Interessen
und ein wesentlich bunteres Freizeitangebot, es gibt andere Möglichkeiten
und das hängt eben auch damit zusammen wenn die sich sagen: Das lohnt
sich für mich doch gar nicht, später mal Kreisliga A zu spielen,
dann widme ich mich lieber anderen Interessen. Und das erlebt man auch
schon bei den Eltern. Wenn einem ein Vater beispielsweise sagt, Du willst
meinen Sohn da in die E-1 reinholen, aber ich würde doch sagen, ich
glaube, der wird sich da nicht durchsetzen. Und E-2, finde ich, sollte
er nicht spielen und daußerdem hat er andere Qualitäten. Da
wir dann von den Eltern quasi den Kindern schon gesagt, wenn Du auf dieser
Ebene Fußball spielen willst, dann lohnt sich das nicht. Dann investier’
lieber Deine Zeit in andere Tätigkeiten, aber bitte verschwende sie
nicht mit dem Fußball. Und das, was Herr Pilz vorhin ansprach mit
den Kommentaren von den Eltern. Die haben wir zum Glück bei uns nicht,
aber ich erlebe es immer wieder, das ist tatsächlich so, das ist furchtbar,
was dort reingeworfen wird. Wie dann Spieler auch fertiggemacht werden,
wie dann auch Sachen gesagt werden wie: Für dieses Tor mach’ ich Dich
persönlich nachher verantwortlich und solche Geschichten. Da spielen
die Eltern doch sicherlich eine sehr negative Rolle. |
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Walfried König: |
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Es geht denke ich nicht
darum, die Tore abzuschaffen oder dieses Spiel so zu gestalten, dass Tore
nicht mehr gezählt werden und nun nichts mehr gezählt wird. Das
bringt alles nichts. Es geht darum, wie weit man diesen Kampf um Tore kultivieren
kann, wie man das möglichst fair gestaltet. Das ist wirklich eine
Anerziehungsaufgabe. Und alles, was hier an Klagen kommt, bezieht sich
bisher noch zum Teil auf die Verbandsführungen, ich bin nicht sicher,
dass in allen Vereinsführungen genau so gesehen wird, dass auch da
schon in den untersten Altersklassen der Erfolg mehr wert ist als die Erziehung.
Aber gut, heute haben wir uns vorwiegend hier kritisch geäußert
über Leute, die in dieser Erziehungsarbeit eigentlich versagen. Das
gilt natürlich auch für diese Eltern, die hier eben gerade zitiert
wurden. Ich bin da sicher, dass die Eltern, so wie sie eben hier wiedergegeben
wurden, zu Hause ähnlich mit ihren Kindern reden. Und Eltern, die
sich privat gegenüber ihren Kindern anders verhalten und äußern,
werden das wahrscheinlich auch öffentlich anders handhaben. Aber auf
dem Platz wird es natürlich sofort sichtbar, weil es eben öffentlich
ist, und hier muss man natürlich auch aufpassen, dass man diese Phänomenen
nicht verallgemeinert. |
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Ich habe eben schon einmal
hingewiesen auf Parallelsituationen in der Schule, auf der Straße.
Herr Pilz, Sie haben ja gefragt, warum dieser Einwurf. Ich meine, damit
auch einfach das Geschehen im Fußball fair bewertet wird. Es handelt
sich nicht um Probleme, die fußballspezifisch oder sportspezifisch
sind. Es handelt sich um Phänomene, die gesellschaftstypisch sind
und die sich in verschiedenen Formen der Jugendgewalt oder auch nur der
Vielfalt der unterschiedlichen Verstöße genauso äußern,
vielleicht dramatischer äußern. Hier stellt sich dann wieder
die Frage, ob es dem Sport gelingt, dieses Gesamtpotential an „Delikten“
im Sport wenigstens einmal etwas zu verringern. Da bleibt immer noch eine
ganze Menge übrig. Aber wenn es gelingt, diese Quote zu verringern,
dann ist das schon ein gewisser Erfolg. Aber das ist natürlich weder
in der einen Richtung noch in der anderen Richtung leicht beweisbar. Vielleicht
macht der Sport hier den Fehler, das ist nicht gut, das hatten Sie ja auch
in Ihrer Erwiderung, Herr Pilz, in bezugnahme auf Ommo Grupe gesagt, aber
der ist eigentlich der Unschuldigste an dem Ganzen. Dass er zu sehr so
tut, als repräsentiere er eine ausschließlich heile Welt. Er
wäre wirklich gut beraten, wenn er viel mehr deutlch machen würde,
dass er im Grunde die gesellschaftliche Position, die gesellschaftliche
Entwicklung spiegelt, dass er genauso mit den problemen der Gesellschaft
zu kämpfen hat wie andere auch; dass er aber versucht, zu Ende zu
gehen, dass er versucht, Menschen zu prägen mit seinen beschränkten
Möglichkeiten. Dabei darf man den Sport eben auch nicht überfordern. |
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Ich nehme noch einmal das
Beispiel mit der Integration. Ich denke, es kann eigentlich nicht bestritten
werden, dass in kaum einem gesellschaftlichen Bereich so viele jugendliche
Ausländer organisiert sind oder tätig sind wie gerade im Sport,
und gerade speziell dabei im Fußball. Dass dann die Deutsche Sportjugend
erklärt, dass die Integrationsleistungen des Sports noch verbessert
werden müssen, steht dazu nicht im Widerspruch. Das kann man natürlich
immer noch machen. Aber insgesamt erbringt der Sport und hier der Fußball
doch eine ausgesprochen hohe Integrationsleistung. Jetzt kann man auch
das natürlich wieder relativieren und sagen, ja, das besteht nur darin,
dass der am Sonntag da als Mittelstürmer aufläuft und ansonsten
hat er nichts damit zu tun. Aber so einfach ist das auch nicht, weil mit
der Übernahme irgendwelcher Rollen beginnt dann doch die Integration
und beginnt das Kennenlernen eigentlich darin, dass jemand auch als Individuum
ein bestimmtes Gewicht hat. Also da dürfen wir die Augen nicht vor
dem, was tatsächlich geleistet wird, verschließen, wenn wir
auf der anderen Seite diese negativen Merkmale so häufig sehen. |
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Zusammenfassung
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Beiträge und Diskussion
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