Quo
vadis, Fußball?
Franz
Böhmert
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Universität
Bremen, Zentrum für Sozialpolitik
Quo
vadis, Fußball?
Historische
Erfahrungen und zukünftige Entwicklung eines modernen Spiels
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Grußwort
Dr. Franz Böhmert |
Präsident
des SV Werder Bremen 1971-1999 († 2004) |
Ich darf Sie alle herzlich
willkommen heißen und sehe sofort Schalke 04, Fortuna Düsseldorf,
auch unser Sponsor ist hier vertreten - man sieht die Resonanz dieser Veranstaltung. |
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Ich möchte nochmals
ganz herzlichen Dank an die Veranstalter, an die Universität, an das
Focke-Museum ausrichten. Ich glaube, wenn Sportvereine Geburtstag feiern,
dann sind es eigentlich ja immer die üblichen Veranstaltungen. Dann
wird im Rathaus oder an irgendeiner bedeutenden Stätte der Stadt ein
Empfang gegeben und dann muß natürlich der große Ball
kommen, und dann wird noch ein Jubiläumsspiel gemacht. Allerdings,
die Jubiläumsspiele finden heute schon kaum noch irgendwo statt. Denn
auch das ist so eine Entwicklung im Fußball: Kein Zuschauer kommt
heute mehr, wenn Inter Mailand hier zu einem Freundschaftsspiel antritt.
Deswegen haben wir auch auf das Jubiläumsspiel oder Jubiläumsturnier
verzichtet. |
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Veranstaltungen aber wie
diese hier - einmal die Ausstellung im Allgemeinen, und diese heutige Veranstaltung
im Besonderen -, das sind für mich Highlights. Und wir sind stolz
darauf, und der SV Werder betrachtet es auch als eine Ehre, dass solche
Veranstaltungen hier stattfinden, auf diesem hohen Niveau und in so einem
hochkarätigen Kreis. |
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Die Verbindung dieser Veranstaltung
ist ja heute einmal die Geschichte, und die Geschichte des Fußballs
sehen wir hier ja in der Ausstellung an der Entwicklung des SV Werder,
und wir sehen dabei auch soziologische Entwicklungen: Wenn ich an meine
Schulzeit zurückdenke, da durfte ich meinen Eltern gar nicht erzählen,
dass ich Fußball spiele, das wurde heimlich getan. Am Gymnasium -
ich war in einem humanistischen Gymnasium - war es zum Teil verpönt,
Fußball zu spielen. Die Lehrer oder Studienräte, die sich überhaupt
für Fußball interessierten, gingen heimlich zu den Spielen,
das sollte möglichst keiner sehen. Denn Fußball, das war ja
so eine Art Proletensport... |
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Jürgen Werner - er
wäre gerne auch gekommen - ist heute nicht hier. Ich kann mich gut
erinnern, wir beide waren 1989 mit der U 21 in Kamerun. Dort hatten wir
eine Einladung beim Botschafter, und die Frau des Botschafters, eine sehr
charmante Frau, eine Französin, kam nachher zu mir und sagte: Herr
Böhmert, ich bin ja ganz überrascht, ich habe immer gedacht,
die Fußballer, das sind alles so Doofe. Und - unter anderem war da
auch unser Marco Bode dabei - ich bin ganz überrascht, das sind ja
so nette Jungs, und intelligente Jungs, und die haben ja fast alle Abitur... |
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Genau hier, an solchen Stellen,
sieht man immer wieder die Vorurteile, die es vielfach gab. Und man sieht
eben, wie sich auch da die soziologische Struktur der Spieler wiederfindet
- und eben auch, wie sich unsere Gesellschaft im Ganzen verändert
hat. Früher hieß es immer - daran kann ich mich noch gut erinnern
- wenn es viele Arbeitslose gibt, dann haben wir auch viele Zuschauer.
Das war so eine Maxime, ganz besonders im Ruhrgebiet, wo der Fußball
ja noch mehr zu Hause ist, als vielleicht hier im Norden. |
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Heute hat sich das total
verändert. Der Fußball ist gesellschaftsfähig geworden.
Wenn ich unsere Logen- und VIP-Bereiche sehe heute, da sehe ich zum großen
Teil, daß die Leute gar nicht mehr zum Fußball gucken, sondern
die sitzen an der Bar und gucken dort Fernsehen und unterhalten sich. Also
es ist heute eine Klientel erschlossen, die sich auch dem Fußball
zugewandt hat, und die eine ganz andere ist, als sie es früher war. |
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Auf der anderen Seite gibt
es inzwischen auch zunehmend Kooperationen, wo sich der Fußball mit
anderen gesellschaftlichen Gruppen zusammentut. Nehmen wir die Kooperation,
die wir hier mit dem Bremer Theater haben, die sich sehr bewährt für
beide Seiten. Die Wissenschaft hat den Fußball ja noch nicht so sehr
entdeckt. Es gibt natürlich die Berührung über die Sportmedizin,
die wie ich glaube in Deutschland auch lange ein Stiefkind war, da sind
manche Länder uns weiter voran, aber sie entwickelt sich langsam,
nach meinem Empfinden aber noch zu wenig. Es wird da an den Universitäten
zuwenig gemacht - oder Kooperationen mit den Vereinen, die es so gar nicht
gibt. |
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Und dann haben Sie natürlich
ein Thema angeschnitten, Herr Lichtenberg, das sind die Juristen. Die Juristen
haben ja nun auch den Fußball entdeckt. Und ich sagte Ihnen vorhin
schon, ich war im September bei einem Symposion in Berlin, wo ich als Vertreter
des DFB anwesend war, mit Herrn van Miert, und wenn wir nicht halbwegs
gebildete Menschen wären, ich glaube, wir hätten uns geprügelt
coram publico. Und ich habe öffentlich zu Herrn van Miert gesagt,
dass er ein Totengräber des Fußballs ist. |
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Und da komme ich jetzt zum
zweiten Teil. Quo vadis, wo gehst du hin, Fußball? Und da muss ich
sagen, habe ich große Sorgen, haben wir große große Sorgen.
Ich habe gestern abend noch zwei Stunden mit meinem Freund Gerhard Mayer-Vorfelder
telefoniert und wir haben die Situation auch noch mal so durchgesprochen.
Und wir, die wir lange lange im Fußballgeschäft sind, machen
uns große Sorgen. Und für mich, als einer, der seit Kindheit
dem Fußball verhaftet ist, sage ich: Kann das noch gutgehen, diese
Schere, die auseinander geht? Früher hatte der Leistungssport den
Breitensport inspiriert, der Breitensport hat den Leistungssport inspiriert.
Aber durch diese neuen Entwicklungen, die wir im Fußball haben, auch
in der sportlichen Entwicklung, gehen die Scheren immer weiter auseinander. |
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Mein Freund, unser langjähriger
Trainer Otto Rehhagel, hat einmal gesagt, wo das meiste Geld ist, wird
auf Dauer auch der beste Fußball gespielt. Ich glaube auch, dass
diese Entwicklungen, die Fußball in der Spitze immer mehr zur Show
machen, dass da eine Spaltung erfolgt. Ich merke das auch an Hearings oder
an Zusammenkünften, die wir mit unseren Fanclubs haben. Da hat der
Fan schon ein gutes Gespür, wie sich der Fußball entwickelt.
Und ich glaube, Herr Pilz, wenn wir den Fan verlieren, den klassischen
Fußballfan, und der Fußball sich nur noch in VIP-Räumen
abspielt und in beheizten Stadien, dann wird der Fußball etwas von
seiner Faszination verlieren. Und wenn diese Basis nicht mehr vorhanden
ist, wird der Fußball auch nicht mehr so sein, wie wir ihn lieben. |
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Und mit ganz großer
Sorge betrachten wir natürlich, was heute - die Juristen müssen
das ja quasi kraft Amtes - Gesetz und Konvention im EU-Recht tun. Und was
ganz schlimm für die Entwicklung wird, ist, dass heute Gruppen den
Fußball als Betätigungsfeld, ich möchte sagen als Profitfeld,
entdeckt haben. Wenn man sich vor Augen führt, dass es heute Investorengruppen,
große Medienkonzerne gibt, die mehrere Vereine in Europa beherrschen;
dass jetzt Herr Murdoch aus sicher eigennützigem Interesse Manchester
United übernehmen will. Dann muss ich sagen, da wird einem Angst und
Bange, wenn der Fußball sich nun auch hier weiter von der Breite
entfernt. Da gibt es heute diese sogenannten G14, die noch ausschliesslich
ihren Interessen nachgehen, und diese Interessen sind ja ausschliesslich
darauf ausgerichtet, nun noch mehr Geld einzunehmen. Wobei heute fast jeder
weiss, dass wir als Vorstände fast nur noch durchlaufende Posten verwalten. |
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Wenn ich die Budgetentwicklung
der Bundesliga nehme, dann lässt sich folgendes beobachten: Wann immer
eine neue Einnahmequelle erschlossen wurde, hiess es erst einmal: Wunderbar,
dann können wir unsere Schulden abtragen. Aber Ergebnis war, dass
sofort die Spielergehälter stiegen. Als Herr Mast groß in die
Werbung einstieg, da gingen die Gehälter hoch, als die Fernsehgebühren
kamen, gingen die Gehälter hoch und bei manchem Verein gingen dann
auch die Schulden mit hoch. Dann gibt es Vereine die meinen: jetzt machen
wir eine AG und dann bezahlen wir erstmal die Schulden davon. Also diese
Entwicklung des Mehr-Geld hat letzten Endes immer dazu geführt, dass
man die Nullen, die beim Ertrag dahinterkamen, dann nachher auch in den
Gehaltsstrukturen der Spieler wiederfand. |
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Sie merken, ich bin in dieser
Thematik auch so ein bißchen heiss, weil wir uns wirklich für
die Zukunft große Sorgen machen. Mit der Universität Paderborn
haben wir ein Szenario aufgebaut, in einem sehr hochkarätigen Symposion.
Da ist jetzt die Frage, kann uns die Wissenschaft helfen, indem sie uns
aufzeigt, wo geht es hin, wenn das und das passiert, kann sie uns helfen,
wie kann man dagegensteuern, ist überhaupt noch Möglichkeit,
dagegenzusteuern? Und wie können wir diese bedrohliche Entwicklung
für den Fußball verhindern oder zumindestens aufhalten? Und
da wünsche ich hier diesem Symposion, wünsche ich uns, daß
Anregungen kommen. |
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Ihnen wünsche ich viel
Spaß, viele interessante Beiträge und hoffe, daß es ein
gutes Gelingen dieser Veranstaltung gibt. |
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