Ein
Sammelband zeichnet die Ökonomisierungstendenzen im modernen Fußball
nach.
Als
die Hansestadt Bremen am 15. April bei der Auswahl der Spielorte für
die Fußball-WM 2006 nicht zum Zuge kam, war die Empörung an
der Weser groß. Ironischer Weise unterstrich die Entscheidung des
DFB gegen den peripheren Standort Bremen die Erkenntnisse und Erläuterungen,
die eine ganze Reihe bremischer Fußballkenner schon im Jahr 2000
im bemerkenswerten Sammelband "Quo vadis, Fußball?" zusammen getragen
hatte. Die Herausgeber W. Ludwig Tegelbeckers und Dietrich Milles dokumentieren
damit die Resultate einer Konferenz, die im Rahmen der 100-Jahr-Feier des
SV Werder Bremen im Jahr 1999 durchgeführt worden war. Eingebettet
war diese Veranstaltung in die Arbeit des Forschungsprojekts "Sozialintegrative
Leistung von Fußballvereinen in Bremen", das unter der trickreichen
Adresse www.s-port.de noch immer einsehbar ist.
Der
umfangreiche Sammelband stellt aus nahe liegenden Gründen die Entwicklungen
rund um den Jubilar in den Mittelpunkt, doch die Fokussierung auf den SV
Werder schadet der Aufsatzsammlung keineswegs. Vielmehr behandeln die Beiträge
exemplarische Problemstellungen, die auch an anderen Standorten des Profi-Fußballs
auf der Tagesordnung stehen. Dazu zählen unter anderem die Nachwuchsarbeit,
Marketing-Strategien, der Ausbau des Stadions zur "Fußballbühne"
aber auch des Festhalten an einem "sozialen Anspruch" des Vereins. Gerade
diese etwas unübliche Facette bildet die Brücke zu den anderen
Texten des Bandes, die aus einer allgemein-abstrakten Perspektive soziale
und kulturelle Fragestellungen rund um das "Marktprodukt Fußball"
behandeln. Die wesentliche Hintergrundthese ist die Umwandlung eines ehemals
"spielerischen Kulturguts" in eine Marktprozessen und -strukturen unterworfene
Ware. Großen Raum nehmen in der Textsammlung die Betrachtungen der
"sozialisatorischen" Leistungen des Vereinssports ein, die unter dem wachsenden
Ökonomisierungsdruck offenbar immer mehr leiden. Durch die in nur
wenigen Beiträgen adressierten Fragen der "Medialisierung des Sports"
wird eine weitere treibende Kraft bei der Ausdifferenzierung der wichtigsten
Einflusssphären auf den modernen Fußball nur recht unscharf
umrissen: die Veränderung des Spiels durch die mediale Darstellung.
Verständlich
wird dies vor allem durch die akademische Andockung von Tagung, Forschungsprojekt
und Buchpublikation an das Zentrum für Sozialpolitik - und dennoch
wird deutlich, dass der traditionsreiche Vereinssport Fußball in
die Zange genommen wird: Markt- und Medienorientierung der Profiklubs bedrohen
die kulturelle Basis des Vereinssports und erschweren das Beibehalten "sozialer
Ansprüche". Wie konsequent die "ökonomische Modernisierung" des
Fußballsports voran geschritten ist, zeigt die wachsende Zahl von
"Ausgründungen" - die Lizenzspielerabteilungen werden nicht mehr als
organisatorischer Teil des Gesamtvereins behandelt, sondern firmieren als
GmbH oder Aktiengesellschaft. Dass mit diesen Trends zur ökonomischen
Diversifizierung die Vereinskultur und ihr Einfluss auf die Gesellschaft
auf eine Probe mit ungewissem Ausgang gestellt wird, dokumentiert der bremische
Sammelband auf ebenso anspruchsvolle wie anschauliche Weise.
W.
Ludwig Tegelbeckers & Dietrich Milles (Hrsg.): Quo vadis, Fußball?
Vom Spielprozess zum Marktprodukt. Göttingen, Verlag die Werkstatt.
(Euro 19,40).
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